DESIGNGESCHICHTE(N)

REVOLUTION AN DER BASIS

Wer solch einen Hocker zur Seite hat, der hat es gut. Damals wie heute. Denn dieser Dreibeiner ist nicht nur ein hilfsbereiter Gefährte, sein Ursprungsmodell ist nebenbei auch eine kleine Revolution. Auf jeden Fall für die Arbeiterschaft vor über 100 Jahren. Während heute fast jede*r zweite Berufstätige den Arbeitstag passiv sitzend vor dem Computer verbringt und mithilfe von smarten Geräten Schritte und Kalorien zählt, stand es um die Industriearbeiter der Jahrhundertwende dramatisch anders.

Wenn sicherlich nicht die Lösung aller Probleme, so war der Hocker mit den drei Stahlbeinen und der runden Holzplatte Anfang des 20. Jahrhunderts – zu dieser Zeit entstanden die ersten Modelle dieses Möbeltyps – doch eine Evolution der Arbeitshaltung. Denn er bot dem an der Maschine stehenden Handwerker das erste Mal die Option, sofern möglich, seine Tätigkeit auch im Sitzen auszuführen. Besonders in Werkstätten der seriellen Fertigung hielt er damit Einzug. Eine historische Bedeutung, die tiefer sitzt, als man zunächst denken mag. Spätestens ab den 1920er-Jahren fand das kompakte Sitzmöbel nicht nur in den Fabriken und Werkshallen immer größere Verbreitung und Beachtung. Mit seiner reduziertsachlichen Gestaltung, seiner einfachen Konstruktion und seiner technischen Raffinesse war er wie geschaffen für den Einsatz im Bauhaus in Dessau. Dort gehörte der dreibeinige Sitzmöbeltyp zur Erstausstattung der Arbeitsräume. Bei MAGAZIN wird der Möbelarchetyp des dreibeinigen Bandstahlhockers für seine puristische, klare und selbstreferenzielle Konstruktion sehr geschätzt. Ein Hocker, der nicht nach Aufmerksamkeit strebt, sondern seine industrielle Zweckmäßigkeit in den Mittelpunkt stellt. Und mit diesem ästhetischen Auftritt im Wohnbereich überrascht. Exakt so, wie er seit den 1950erJahren in einer schwäbischen Fabrikation für Arbeitsmöbel produziert wird, fand er schon früh seinen Weg ins MAGAZIN-Sortiment. In verschiedenen Höhen, dann auch als Vierbeiner oder mit höhenverstellbarer Drehspindel und immer mit leicht gemuldeter Sitzfläche. Heute trägt der Hocker, der in seinem schlichten, standhaften und stabilen Auftritt als Archetyp eines Sitzmöbels am Arbeitsplatz gilt, den Namen CHEMNITZ. Er ist bewährt und beliebt – irgendwie selbstverständlich, selbst heute, am industriellen Arbeitsplatz wie auch im Wohnumfeld. Eine Einladung zum Platznehmen und Loslegen. Ob mit der Arbeit oder dem Vergnügen. Ach ja, am Klavier begleitet CHEMNITZ übrigens besonders gern.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "50 Jahre 50 Produkte – Designgeschichte(n) erzählt von MAGAZIN". Jetzt erhältlich.

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