Alle Kategorien

Schweizer Designkultur für draussen

Zu Besuch bei Schaffner in Müllheim im Kanton Thurgau: Der Schweizer Familienbetrieb stellt seit 1954 Außenmöbel her und versteht sich auf Feinheiten der Form und technische Raffinesse gleichermaßen.

Text: Susanna Köberle

Sturheit muss nichts Negatives sein. Man könnte diese Eigenschaft auch positiv formulieren und sagen, es handle sich dabei um Beharrlichkeit und Konstanz. Im Fall der auf Gartenmöbel spezialisierten Firma Schaffner hat sich diese Haltung bewährt. 1954 gegründet, blickt der Familienbetrieb auf eine lange Geschichte zurück – Hochs und Tiefs inklusive. Für ein Kleinunternehmen können solche Schwankungen existenziell sein. Umso mehr zeugt das Festhalten an der hochstehenden Fertigung der Produkte von einer quasi heroischen Unbeirrbarkeit. Wer die seit 1963 im thurgauischen Müllheim beheimatete Produktionsstätte besucht, taucht in die Welt eines typischen Schweizer Betriebs ein. Denn alle Artikel sind zu mindestens 80 Prozent Swiss Made. Und ja, es geht auch um die viel gelobte Schweizer Präzision, Klischees hin oder her. Eine Präzision, die MAGAZIN schon vor längerer Zeit überzeugt hat: Im Sortiment finden sich eine ganze Reihe von Schaffner-Produkten, mit dem Stuhl WALLIS sogar eines, das es ausschließlich bei MAGAZIN gibt.

Sehr schnell fällt im Gespräch mit Martin Schaffner, dem CEO der Firma, das Wort Maschinenpark. Schon bevor man die Produktion mit eigenen Augen gesehen hat, wird klar, dass bei Schaffner technische Perfektion eine zentrale Rolle bei der Herstellung der Produkte spielt. In der konsequenten Pflege der Details liegt die Stärke des Herstellers. Dazu gehört neben der riesigen Farbpalette der Gartenmöbel auch die technische Raffinesse der Entwürfe. Sie trägt zur Langlebigkeit und einfachen Handhabung der Produkte bei. Wer will schon beim Verstauen des Gartenmobiliars eine Bedienungsanleitung in Anspruch nehmen müssen. Oder sich an rostigen Kanten verletzen. Gutes Design braucht keine extravaganten Formen, das ist gerade bei Gartenmöbeln besonders deutlich. Das heißt nicht, dass formale Aspekte nicht bedacht würden. Nehmen wir das Beispiel Stapelbarkeit, eine quasi unabdingbare Funktion bei Außenmöbeln, besonders in der Gastronomie. Einen stapelbaren Stuhl zu entwerfen, ist eine Herausforderung: Da geht es um Feinheiten, etwa Neigungswinkel und Proportionen, also sehr wohl auch um Form. Damit das Stapeln einwandfrei funktioniert, muss aber auch die Verarbeitung stimmen.

Die Schaffner-DNA

An dieser Stelle kann ein kurzer designhistorischer Exkurs den Blick schärfen für die spezifische Schweizer Designkultur. Mit dem Aufkommen des Stahlrohrs in den 1920er-Jahren entstand die Möglichkeit, seriell zu produzieren. Der Einzug von standardisierten und industriell hergestellten Möbeln veränderte sowohl die Fertigungsmethoden als auch den Markt. Das Entwickeln entsprechender Maschinen trug wesentlich zum Erfolg der neuen Möbelproduktion bei. In der Schweiz entstanden in dieser Ära ikonische Entwürfe; das Label „Die gute Form“ avancierte zum Markenzeichen der Schweizer Entwurfshaltung. Die sogenannte Schweizer Moderne und Vereinigungen wie der Schweizerische Werkbund legten den Grundstein für ein Designverständnis, dem sich viele Schweizer Hersteller bis heute verpflichtet fühlen. Das wird allerdings nicht an die große Glocke gehängt. Dass hinter dieser Haltung mehr steckt als das Jagen nach kurzlebigen Trends, ist eine Einsicht, die sich auch beim Besuch der Manufaktur von Schaffner einstellt. Man erfährt mitunter, dass Maschinen sehr wohl einen Einfluss auf das Aussehen der Stücke haben. Martin Schaffner erzählt, dass schon sein Vater eine spezielle Biegemaschine besaß, die engere Bögen beziehungsweise eine Rundung in der Rundung biegen konnte. „Deswegen sehen unsere Stühle feiner aus. Das ist Teil der Schaffner-DNA“, erklärt er. Diese Optik macht auch den Unterschied zu ähnlichen Entwürfen anderer Hersteller aus.

Dass Schaffner die frühen Modelle weiterhin im Sortiment behielt, erwies sich als kluger Schachzug. Während sich lange niemand für Gartenmöbel im Retrolook interessierte, folgte irgendwann das Revival. Plötzlich waren diese Entwürfe wieder angesagt, sodass die Stuhlproduktion der Firma wieder Fahrt aufnahm. Heutzutage hat jedes Restaurant auch einen Garten und viele Betriebe wollen keine Billigwaren aus Plastik, schon gar nicht die designaffinen Etablissements. Gartenmöbel hätten eben etwas mit Emotionen zu tun, glaubt Martin Schaffner. Das ist nachvollziehbar, im Garten entspannen wir schließlich, Freizeit ist heute ein wertvolles Gut. Schon die Namen dieser Stuhlmodelle erzählen etwas über den besonderen Charakter der Stücke: etwa SÄNTIS, RIGI (Schweizer Berge) oder WALLIS (Schweizer Kanton). Die Einfachheit und Unaufgeregtheit dieser Namen stehen stellvertretend für das Produkt selbst. Darin spiegelt sich solide Qualität ohne Schnickschnack wider. Was einfach aussieht, ist aber in Wahrheit komplex: das durchdachte Design der Einzelteile – etwa der unsichtbare Klappmechanismus bei den Tischen – und nicht zuletzt die Verarbeitung der Artikel durch Maschinen sowie von Hand. Viele Arbeitsschritte bedürfen erfahrener Handarbeit, etwa das Wickeln der Spaghetti-Stühle, das in Heimarbeit vorgenommen wird. Auch Martin Schaffner hat als Kind das Wickeln erlernt. „Es ist eine anstrengende Arbeit. Am Abend weißt du, weshalb dir die Finger wehtun“, sagt er. Auch heute packt er gelegentlich an.

Und noch etwas beweisen die Produkte von Schaffner: Tradition muss nicht gleichbedeutend sein mit Rückwärtsgewandtheit. So hat Schaffner die Designklassiker wie den Spaghetti-Stuhl überarbeitet und bietet neu auch eine Bespannung aus recyceltem Meeresplastik an, in unserem Sortiment als OceanYarn®-Serie SÄNTIS geführt. Eine weitere Besonderheit der Firma ist die große Auswahl an Farben. Wie bei allen anderen Prozessen ist auch beim Pulverbeschichten umfassendes Know-how gefragt. Damit die Farbe lange hält, muss das Stück nach dem Auftragen des Polyesterpulvers für eine gewisse Zeit in den Ofen. Solche Verfahren sind zwar zeitintensiv, aber dafür ist den Außenmöbeln nach Fertigstellung ein langes Leben beschieden. Dazu trägt auch der Service bei, den Schaffner anbietet. „Das Paket muss stimmen“, sagt Martin Schaffner. Wie viel Aufwand der Möbelunternehmer betreibt, damit dieser lapidare Satz auch eingelöst wird, zeigt sich bei jedem einzelnen Verarbeitungsschritt. Nicht nur die Stühle und Tische müssen Regen und Wind trotzen, auch die Geisteshaltung eines solchen Betriebs muss wetterbeständig sein.

Bilder: © Schaffner AG

Mehr Designer*innen und Hersteller

  • Über 80 Millionen Fahrräder haben wir in Deutschland. Ob Arbeitsweg, Kindertransport oder Freizeit – so vielfältig die Nutzung, so unterschiedlich die Radfahrer*innen, ihre Bedürfnisse und Ansprüche.

  • Alles in Norwegen: Røros Tweed hat nicht nur eine eigene Spinnerei und Weberei – das traditionsreiche Familienunternehmen verwendet auch die Wolle einheimischer Schafe für seine Textilien.

  • Vor dreißig Jahren produzierte FREITAG die erste Kuriertasche aus gebrauchten Lkw-Planen. Heute verarbeitet das Zürcher Unternehmen rund 350 Tonnen Alt-Plane im Jahr zu Taschen, Rucksäcken und Accessoires.