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Vom Herd zum Hotspot

Vom Herd zum Hotspot

Küchen sind Kulturgeschichte auf kleinem Raum. Ihre Gestaltung erzählt von technologischen Umbrüchen, sozialen Rollenbildern und sich wandelnden Idealen. Der Weg von der Frankfurter Küche der 1920er bis zur offenen Kücheninsel von heute ist lang – und aufschlussreich. Denn Küchen sagen oft mehr über unser Leben aus als jedes Wohnzimmer – wie die Münchner Ausstellung „Kitchen Culture“ eindrucksvoll zeigt.

Text: Lilian Ingenkamp

Wer kennt ihn noch – den Perkolator? Diese feuerfeste Kanne, in der durch stetige Wasserzirkulation starker, schwarzer Kaffee gebrüht wurde. Einst galt sie als Nonplusultra der Kaffeezubereitung: Kessel, Brühgerät und Servierkanne in einem. In Deutschland bis in die 1950er-Jahre beliebt, ist der Perkolator heute fast vergessen. Doch er erzählt viel – über Technik, Alltag, Geschmack und darüber, wie sehr Küchen und ihre Geräte stets ein Spiegel ihrer Zeit sind. Oder die „Frankfurter Küche“, die die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky 1926 als erste standardisierte Einbauküche der Welt entwarf. Entwickelt für das soziale Wohnbauprogramm „Das Neue Frankfurt“, war sie kompakt, aber funktional. „Schütte-Lihotzky machte sich viele Gedanken über Bewegungsabläufe und deren Optimierung“, sagt Xenia Riemann-Tyroller. Zusammen mit Josef Straßer kuratierte sie die Ausstellung „Kitchen Culture“ im Designmuseum Neue Sammlung in München, in der neben anderen Exponaten auch der Perkolator und ein Exemplar der Frankfurter Küche zu sehen sind. „Die berufstätige Frau war eine der Hauptadressatinnen dieser Küche, da in den 1920er-Jahren mehr Frauen als früher zur Arbeit gingen“, so Straßer weiter. „Schütte-Lihotzky integrierte Kochkisten zum Warmhalten von Speisen und vermied große Arbeitsflächen – damit weniger geputzt werden musste.“

Perkolator von Siemens-Schuckert: einst Nonplusultra der Kaffeezubereitung, heute fast vergessen

Prägend: Die Werkbank von Bulthaup (1988) war inspiriert von der Arbeitsfläche eines Handwerkers und konzipiert als mobiles und modulares Arbeitsmöbel

Herzstück des Hauses: 1957 entwarf der dänische Architekt Arne Jacobsen für die Berliner Bauausstellung Interbau eine Küche, die mehr war als nur Arbeitsort

Zwei Jahrzehnte später wandelte sich das Bild: Architekt Le Corbusier öffnete die Küche in seinem Wohnhochhaus „Unité d’habitation“ in Marseille. Das von Charlotte Perriand gestaltete Modell mit halbhoher Theke ermöglichte Austausch – kulinarisch wie sozial. Kochen wurde Teil des Gemeinschaftslebens, nicht länger isolierte Tätigkeit im hintersten Raum. Ein Bruch mit alten Rollenbildern – und der Beginn einer neuen Wohnkultur. Auch die Skandinavier setzten Akzente: 1957 entwarf der dänische Architekt Arne Jacobsen für die Berliner Bauausstellung Interbau eine Küche, die mehr war als nur Arbeitsort. Sie wurde zum Herzstück des Hauses – architektonisch durchdacht, wohnlich inszeniert. Eine Werkstatt des Lebens, in der Funktionalität auf nordische Eleganz traf. In der DDR ging man das Thema pragmatischer an: Die „Eschebach K21“ von VEB Küchenmöbel Radeberg war funktional, robust, aber auffallend freundlich gestaltet. Die modularen Bausteine leuchteten in sanften Farben: Mint, Hellgelb, Pfirsich. Das Möbelsystem war in der DDR und Sowjetunion sehr erfolgreich.

Während sich Küchenmöbel im Laufe der Zeit wandelten, wuchs der Gerätepark. Seit den 1950er-Jahren hielten Toaster, Brotschneidemaschinen, Kühlschränke und Mikrowellen Einzug – zunächst als technische Wunderwerke, später als Statussymbole. Die Küche wurde elektrifiziert, verkabelt, automatisiert. Immer neue Apparate versprachen Erleichterung, Effizienz – und besten Geschmack. Und heute? „Eine wichtige Entwicklung der modernen Küche ist der Küchenblock“, sagt Xenia Riemann-Tyroller – räumt aber ein: „Man benötigt Platz, um diese großen Kücheninseln zu integrieren.“ Ein Modell, das diesen Wandel mitprägte, war die Werkbank von Bulthaup (1988). Inspiriert von der Arbeitsfläche eines Handwerkers, wurde sie als mobiles und modulares Arbeitsmöbel konzipiert. Auch Nachhaltigkeit spielt indes eine Rolle: Das Münchner Kollektiv J*Gast entwickelte während der Corona-Pandemie ein Küchensystem, das dank filigraner Rahmenstruktur Material spart. Zwischen imposanter Edelküche und pragmatischer Küchenlösung gibt es heute viele Varianten, je nach Lebensentwurf und Bedarf. Und immer häufiger zieht auch Hightech ein: Manche Küche ist heute smart wie ein Computer, vernetzt, per App steuerbar. Der Backofen kennt das Rezept, der Kühlschrank bestellt die Milch. Da fragt man sich manchmal: Reichte nicht auch der Perkolator?

Bilder: The Design Museum / Gerhardt Kellermann, Freilichtmuseum Roscheider Hof / Helge Klaus Rieder, bulthaup

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