DESIGNGESCHICHTE(N)

VON LUFTSCHLÖSSERN, BRETTERBUDEN UND ZIELSTREBIGKEIT

Skizzen von Megastrukturen, die komplette Städte, Wiesen und Küsten überspannten, bereicherten die Architektur­debatte in den 1970er-Jahren weltweit. Noch heute faszinieren die Zeichnungen und Collagen von Yona Friedman, Kenzo Tange, Buckminster Fuller und Archigram aufgrund ihrer gedanklichen Radikalität. Gerade Yona Friedman, geboren 1923, ist nicht nur ein französischer Künstler und Architekt, sondern auch ein Visionär. Seine Manifeste „Architecture Mobile“ und „La Ville Spatiale“ waren richtungweisend.

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Mancher wird sich in seiner verwinkelten Altbauwohnung denken: Wie gut, dass die Utopien nicht realisiert wurden. Andere, wie den Designer Dominik Lutz, könnten sie auf die Idee gebracht haben, selbst eine Raumstruktur zu entwickeln. Man braucht ja nicht gleich eine neue Gesellschaftsstruktur mit zu erfinden. Dominik Lutz will Wohnräume mit nur einem einzigen Systemelement flexibel strukturieren. Ein bescheidenes Ziel, verglichen mit Friedmans Idealen. Lutz geht es nicht darum, Wohnraum zu schaffen oder Kolonien im Weltraum zu gründen, sondern auf simpelste Weise den Wohnalltag räumlich zu organisieren. Und zwar so einfach, dass sich mit einer einzigen Scheibe ein dreidimensionales Gebilde bauen lässt. Nicht, um darin Menschen, sondern Bücher und anderes aufzubewahren.

Er begeisterte sich für eine logische Knobelei, mit der sich zugleich zahlreiche Kombinationen von Regalen und Raumteilern konstruieren ließen – ohne Schrauben, Bohren, Nageln und Kleben, sondern nur durch einfaches Ineinanderstecken eines einzigen Bauteils, bestehend aus einer Schichtholzplatte und Aluminium-T-Profilen, die sich ideal ineinander fügen. Mit Blick auf die Vermarktung bot sich auf Empfehlung seines Professors MAGAZIN an. Hier überzeugte sein Entwurf, doch nach Prüfung der Produktionsmöglichkeiten und Kosten folgte die Absage: zu teuer. Kann nicht sein, dachte sich Lutz, nahm selbst mit den Fertigungsbetrieben Kontakt auf und tüftelte und vermittelte dort mit den Technikern so lange, bis MAGAZIN die ersten tausend Platten orderte.

Wie viel Tücken jedoch bei Herstellung eines viereckigen Brettes lauern, hatte auch er nicht für möglich gehalten.

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Lutz, selbst Sohn eines Architekten, weiß um die Widrigkeiten, die sich einem zwischen der ersten Idee und deren Umsetzung in den Weg stellen können. Wie viel Tücken jedoch bei der Herstellung eines viereckigen Brettes lauern, hatte auch er nicht für möglich gehalten. Es begann damit, dass der ursprüngliche Fertigungsbetrieb erklärte, er könne nicht weiter zum vereinbarten Preis produzieren. Zur selben Zeit löste sich an einem Regal, das ein Kunde gekauft hatte, die Klebung der Aluminiumprofile. Während MAGAZIN die ausgelieferten Platten zurückrief, dachte Lutz mit Hochdruck über eine alternative Verbindungsmethode nach und ließ die zuvor geklebten Aluminiumprofile mit filigranen Bolzen sichern. Als dann Wochen später bei den Fotoaufnahmen für den Katalog die Bolzen aus den Platten fielen, ging Lutz in den Betrieb und untersuchte so lange jeden einzelnen Fertigungsschritt, bis die Ursache festgestellt und beseitigt war: Die Toleranz zur Herstellung der Aluminiumprofile wurde gesenkt; das nunmehr minimierte Maß wurde zum Bestandteil des Vertrages mit dem Zulieferer. Inzwischen bedient MAGAZIN seit vielen Jahren dauerhaft und ohne technische Probleme die Nachfrage der Kund*innen nach 1HOCH3-Platten. Dominik Lutz widmet sich neuen Entwürfen und weiteren Projekten.

Dominik Lutz, geboren 1974 in Stuttgart, studierte an der HfBK Hamburg Industrie Design, lebt dort als Familienvater und freier Designer.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "50 Jahre 50 Produkte – Designgeschichte(n) erzählt von MAGAZIN". Jetzt erhältlich.

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