Stefan Diez

Es gibt einen Markt, der nicht durch den Preis getrieben wird

Die Globalisierung, so sagt Stefan Diez, ist nicht per se etwas Schlechtes. Aber wenn sie nur dazu führe, günstig zu produzieren, verhindere sie Innovationen und zerstöre das Know-how der einheimischen Betriebe. Der Münchner Designer sucht beharrlich nach neuen Ansätzen in der Produktgestaltung – ob mit Entwürfen für Unternehmen wie HAY, Magis und Wagner oder seinen
„10 Richtlinien für gutes Design“.

Interview: Jochen Overbeck

Sie haben vor 20 Jahren Ihr Designbüro gegründet. War es damals ein Thema, an welchem Ort etwas produziert wird?
Mich hat das Thema seit jeher interessiert. Ich bin in einer Schreinerei groß geworden. Ich weiß nicht, auf wie vielen Messen ich gemeinsam mit meinem Vater die neuesten Maschinen angeschaut habe. Meine Jugend war durch eine Frage geprägt: Wie können moderne Technologien auch deutschen Betrieben helfen, wirtschaftlich herzustellen?

… was damals nicht unbedingt gängige Denkweise war …
Bis Ende der 80er-Jahre waren Produktion und Verbrauch in Europa relativ lokal. Natürlich gab es international erfolgreiche Firmen. Aber es war nicht selbstverständlich, den neusten Sony-Walkman auch in München zu bekommen. Mit der Digitalisierung wurde es möglich, Gestaltungs- und Herstellungsprozess zu trennen. So sind Prozesse in Gang gekommen, die die eigentliche Produktion auslagerten – oft nach China. Dabei ging viel Herrschaftswissen verloren. Man hat Marktanteile dadurch gesichert, dass man nicht innovativ war, sondern günstig produziert hat.

Ihre „10 Richtlinien für gutes Design“ schlagen in eine ähnliche Kerbe, oder?
Sie können ein Sofa von Mailand nach New York verkaufen. Aber das Wissen, wie man das Sofa zum Beispiel richtig neu bezieht, wird man kaum exportieren können. Ebenso wäre es Quatsch, ein Sofa irgendwann zurückzuschicken. Das ist ein Problem für die Lebenszeit dieser Produkte. Deshalb müssen wir als Designer*innen bei Produkten, die global verkauft werden, die Reparatur mitdenken.

STEFAN DIEZ

Stefan Diez absolvierte eine Schreinerlehre im elter­lichen Betrieb, bevor er ab 1996 Industriedesign an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste Stuttgart studierte. Nach Stationen bei Richard Sapper und ­K­onstantin Grcic eröffnete er 2003 ein eigenes Design­büro. MAGAZIN hat von ihm unter anderem das Sofa COSTUME, die Leuchte AYNO und die Geschirr-Serie SHIRO im Sortiment.

Ihr Sofa COSTUME für Magis ist ein gutes Beispiel. Es ist komplett zerlegbar und sortenrein trennbar. Wie lange hat die Entwicklung gedauert?
Gute vier Jahre. Das ist für uns aber keine ungewöhnliche Zeitspanne. Wir haben das Produkt im Studio entwickelt und sehr gut für die Produktion vorbereitet; den Feinschliff machte Magis mit dem Produzenten, immer in Abstimmung mit uns. Bei der Entwicklung haben wir Themen wie den Austausch von Einzelteilen und den „preloved market“ mitgedacht, – nun liegt es bei Magis, das volle Potenzial auszuschöpfen und auf die Straße zu bekommen.

Entwickelt sich durch solche Zusammenarbeiten über die Jahre das Netzwerk an Produktionsstätten, das man als Designer*in braucht?
Ja. Das ist ein Vorteil davon, in Süddeutschland zu sein. Wir haben die räumliche Nähe zu Italien, aber auch hier wird immer noch viel produziert. Man hat kurze Wege, kriegt etwa schnell ein paar gute Holzleisten. Es gibt einen fundamentalen Unterschied dazwischen etwas­ vor Ort machen zu lassen und etwas zu bestellen. Bei Letzterem muss man genau wissen, was man braucht. Wenn man mit einem lokalen Hersteller arbeitet, meint man zu wissen, was man braucht, erfährt dann aber vielleicht: Da gibts ja was ganz anderes!

Sie haben ein E-Bike für den Fahrradhersteller Möve entworfen…
… das in Europa gebaut wird! Wir wollen ausloten, ob man durch neue Ideen und Verfahren, durch kürzere Wege zwischen Hersteller und Kund*innen ein Paket schnüren kann, das zu einem besseren Produkt führt. Wir glauben, dass es einen Markt gibt, der nicht durch den Preis getrieben wird, sondern Raum für Innovation bietet; für Fahrräder, mit denen man A und B nicht schneller verbindet, aber eleganter, schöner, ausgefeilter.

Bilder: © DIEZOFFICE

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