Klarenbeek und Dros

Grünes Plastik

Wie zerstörerisch die zügellose Herstellung und Nutzung von erdölbasiertem Plastik sein kann, dürfte mittlerweile allen bewusst sein. Deshalb wird längst an Alternativen geforscht. In ihrem Studio in einer ehemaligen Farbenfabrik bei Amsterdam arbeitet das Duo Klarenbeek & Dros mit Algen und Pilzen am Kunststoff der Zukunft. Er soll nicht nur kompostierbar sein und die Umwelt schonen, seine Produktion soll auch CO2 binden – und sogar die biologische Vielfalt fördern.

Text: Florian Siebeck

Ob Kartoffelstärke oder Kakaobohnenschalen: Sie sind ständig auf der Suche nach neuen Materialien, die Plastik ersetzen könnten. Wo werden Sie fündig?
Viele Menschen wissen das nicht, aber Biopolymere haben eine reiche Geschichte. Schon Henry Ford hat 1941 ein „Soy Bean Car“ gebaut, dessen Karosserie zu großen Teilen aus pflanzlichen Werkstoffen bestand. Und in den Windmühlen von Zaandam wurden schon im 17. Jahrhundert Leinsamen zu Öl verarbeitet, das Rembrandt und Vermeer mit Kiefernharz vermischten, um Firnis herzustellen. Allerdings war der auch nur drei bis sechs Monate haltbar.

… und weit entfernt von dem, was Sie herstellen: ganze Möbelstücke, etwa aus Algen.
Das stimmt. Denn wir brauchen Thermoplaste, die wir drucken oder spritzgießen können. Und da kommt moderne Technik ins Spiel. Es ist im Prinzip wie kochen: Man probiert verschiedene Rezepte aus, mit Stärke, Kakao oder Zucker. In den letzten Jahren sind wir in die Welt der Algen und des Seetangs eingetaucht.

Wie funktioniert das in der Praxis?
Wir ernten den nassen Seetang und bringen ihn zu einem Bauern, wo er in eine Art Entsafter kommt. Das Süßwasser, das wir den Zellen entnehmen, wird für die Felder genutzt, weil es voller Nährstoffe wie Nitrate und Phosphate ist. So kann man auf Dünger oder Pestizide verzichten. Die Trockenmasse verarbeiten wir zu Biopolymeren in Form von Filamenten für den 3D-Druck oder einer Masse zum Spritzguss.

Ihr Ziel ist es, ein weltweites Netzwerk von Druckern aufzubauen, damit Möbel und andere Produkte lokal gefertigt werden können. Sie nennen das „die 3D-Bäckerei“.
Genau. Unsere Idee ist, dass es in Zukunft an jeder Straßenecke einen Laden gibt, in dem man biologische Rohstoffe „backen“ kann, fast wie frisches Brot. In Schwellenländern etwa könnten die Leute Algenfarmen im Meer anlegen, so ihr Land düngen, das Süßwasser nutzen und dank Biopolymeren sozial und dezentral produzieren.

Glauben Sie, dass Sie die großflächige Einführung von Biopolymeren noch erleben werden?
Ja. Aber wir müssen realistisch sein: Konventioneller Kunststoff wird vorerst nicht verschwinden. Wir fahren immer noch Autos auf Ölbasis, und solange es Öl gibt, gibt es auch Plastik, es ist ein Abfallprodukt der Ölindustrie. Der Seetang muss ebenfalls zu einem Abfallprodukt werden, um wettbewerbsfähig zu werden. Dass man daraus Shampooflaschen oder Geschirr herstellen kann.

Was entgegnen Sie Kritikern, die sagen: Das sind Größenordnungen, die nie erreicht werden können?
Natürlich ist es schwer zu skalieren, aber irgendwo müssen wir ja anfangen. Und es geht schließlich auch nicht nur um die Herstellung des Materials, sondern um die Aufbau einer Infrastruktur. Wir nennen das den „Seaweed Circle“. Ein paar Algenzüchter in den Niederlanden sind schon dabei, die Produktion auszuweiten.

ERIC KLARENBEEK & MAARTJE DROS

Eric Klarenbeek und Maartje Dros haben an der Design Academy Eindhoven studiert, seit 2004 arbeiten sie zusammen. Das Duo schafft Netzwerke aus Universitäten, Hightech-Firmen, lokalen Bauern und Kooperativen, um das Potenzial natürlicher Rohstoffe wie Algen, Seetang oder Pilzmycel als Ersatz für erdölbasierte Kunststoffe auszuloten – unter Einsatz aktueller Technologien wie 3D-Druck.

Bilder: Antoine Raab; Victor Picon; Mark Cocksedge

Mehr zum Thema Kunststoff

  • Zeit für ein Gedankenspiel! Was wäre, wenn Kunststoffe eine wertvolle Ressource wären – und nicht schier endlos und billig verfügbar? Dieser Perspektivwechsel könnte helfen, uns aus unserer toxischen Beziehung mit dem Plastik zu lösen. Das Ziel: Kunststoffe bewusster konsumieren – weg vom Einweg, hin zur langen Nutzung, weg von der schnell entsorgten Verpackung, hin zu sinnvollen, kreislauffähigen Kunststoffprodukten.