„Noch viel zu lernen und zu experimentieren“

Beim Thema Material gibt es in der Architektur nicht nur die eine Wahrheit. Die Zürcher Architektin und Hochschullehrerin Elli Mosayebi blickt mit ihrem Büro Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekt*innen vielmehr auf die spezifischen Vorteile eines Baustoffs in Bezug zur Entwurfsidee. Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen ist damit keine Frage von strengen Dogmen. Nicht immer, aber oft spricht inzwischen trotzdem vieles für Holz. Das muss auch gar nicht hölzern daherkommen.

Interview: Stephan Becker

Frau Mosayebi, Holz ist derzeit in Mode. Ist das nur ein vorübergehender Trend?
Nein, auf keinen Fall. Natürlich gilt Holz seit einigen Jahren als besonders innovativ und ökologisch und passt damit gut in unsere Zeit. Aber das Material hat sich eben auch entscheidend von früheren Konventionen gelöst. Es geht nicht mehr um den einzelnen Baumstamm, sondern um moderne Holzwerkstoffe, die ganz andere Einsatzmöglichkeiten bieten.

Aber ist Holz in ökologischer Hinsicht tatsächlich immer die beste Wahl?
Bezüglich seiner CO2-Bilanz ist Holz schon überzeugend. Aber uns ist es wichtig, beim Entwerfen grundsätzlich haushälterisch mit Ressourcen umzugehen. Jedes Material hat andere Stärken und Schwächen, eine andere Leistungsfähigkeit. Und wenn keine Kohärenz zwischen Material und Konstruktion gegeben ist, kann auch ein Holzbau reine Verschwendung sein. Man muss allerdings sagen, dass Holz nicht nur sehr ökologisch ist, sondern auch ausgesprochen vielseitig sein kann.

Gibt es Aspekte, die Ihnen am Holzbau besonders gefallen?
Seine Leichtigkeit und Präzision, auch die Möglichkeit der Vorfabrikation, die sich wiederum positiv auf die Bauzeit auswirkt. Und dann ist Holz ja auch nicht gleich Holz, das macht es noch spannender. Schnell wachsende Hölzer eignen sich beispielsweise für andere Dinge als Hartholz, manche Sorten trocknen zügiger als andere und so weiter. Ein Freund von mir ist Zimmermann und der kennt solche Eigenschaften weitaus besser als wir Architekt*innen. Genau deswegen ist der zeitgenössische Holzbau auch so aufregend. Weil es gerade in konstruktiver Hinsicht noch viel zu lernen und zu experimentieren gibt.

Als Professorin sind Sie auch in der Forschung tätig. Spielt in diesem Rahmen das Thema Zirkularität – also die Wiederverwendbarkeit von Bauelementen – eine Rolle?
Tatsächlich ist die Zeitlichkeit einer Konstruktion in ökologischer Hinsicht sehr relevant. Es gibt mit Blick auf Betonhäuser das Narrativ, dass zwar beim Bau sehr viel mehr CO2 ausgestoßen wird, dass sie dafür aber auch länger halten. Was uns allerdings fehlt, ist ein CO2-Budget. Ein Holzbau emittiert bei der Erstellung viel weniger CO2. Ist dieser zudem noch zirkulär, ist die Ökobilanz natürlich noch viel besser.

Ein Holzbau, der sich demontieren und wieder neu zusammensetzen ließe, könnte da klar im Vorteil sein.
Genau, aber auch dahingehend gibt es noch viel zu lernen. Oft wird im Holzbau geleimt, was bedeutet, dass man die Elemente später nur schwer wieder auseinanderbekommt. Mit Stahl-Holz-Verbindungen, wie wir sie schon vor Jahren im Büro untersucht haben, wären stattdessen auch reversible Schraubverbindungen denkbar.

Jenseits von konstruktiven Fragen, auf einer ästhetischen Ebene: Kann man von Holz auch zu viel bekommen?
Die Aura eines Materials steht für uns gar nicht so sehr im Vordergrund. Verführung, Spiel, Virtuosität, all das ist wichtiger. Und man muss Holz ja auch nicht unbedingt als Material inszenieren. Holz kann lackiert werden, geölt oder verkohlt. All das sind alte Kulturtechniken, die nicht nur dazu dienen, seine Haltbarkeit zu verbessern, sondern die auch sein Aussehen entscheidend verändern. Dann kann es silbrig elegant werden wie in unserem Wohnbau an der Stampfenbachstraße im Zürcher Stadtzentrum oder ausgesprochen bunt wie in unserem Schulhaus Chliriet in einer Zürcher Agglomerationsgemeinde.

Elli Mosayebi

Elli Mosayebi studierte Architektur an der ETH Zürich, wo sie später auch promovierte und heute Professorin ist. Seit 2004 führt sie in Zürich zusammen mit Ron Edelaar und Christian Mueller Inderbitzin das Büro Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekt*innen, das seit 2011 mit dem Architekturbüro Baumberger & Stegmeier Kooperationen pflegt. Zusammen mit ihrem Team kann sie inzwischen auf zahllose gewonnene Wettbewerbe und realisierte Bauten zurückblicken. Regelmäßig veröffentlicht sie außerdem in Büchern, Zeitungen
und Fachzeitschriften.

Bilder: Roland Bernath; Anne Morgenstern

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