Die Farbpoeten – Raw Color im Gespräch
Raw Color trägt die Farbe schon im Namen – und die Liebe für ehrliche und gute Materialien im Herzen. Das Eindhovener Designduo Daniera ter Haar und Christoph Brach arbeitet über die Grenzen kreativer Professionen hinweg und verbindet Grafik-, Ausstellungs- und Produktdesign mit Farbe als Gestaltungselement. Ein Gespräch über inspirierende Raumkonzepte, Farbe als Emotionsverstärker und die kulturell geprägten Botschaften, die sie vermittelt.
Text: Tanja Pabelick
Angenommen, ihr müsstet in nur einem Satz erklären, was Raw Color macht – wie lautet der?
Wir sind ein Duo und Designstudio mit Team, arbeiten in den Bereichen Produkt-, Textil- und Grafikdesign und untersuchen das Verhältnis von Farbe, Form und Material.
Was ist eure Geschichte?
Wir haben an der interdisziplinär ausgerichteten Design Academy Eindhoven studiert. Dieser Zugang hat sich dann in unserer Praxis durchgesetzt. Auf unseren Visitenkarten steht ganz bewusst nicht „Designer“. Wir finden, unser Name „Raw Color“ vermittelt sehr schön, was uns ausmacht.
Sollten wir unsere Lebensumgebung bunter gestalten?
Studien belegen, dass Menschen in grauen, urbanen Räumen mit viel Glas und Beton oft unglücklicher sind als beispielsweise im Wald. Es ist doch seltsam, dass minimalistische und weiße Interieurs als gut und modern gelten. Sie haben weder Ziel noch Seele. Interessant ist, dass das vor gut einem Jahrhundert noch anders war: Damals haben die Menschen mit vielen Farben, Materialien und Mustern gelebt. Multistimulative Umgebungen sind gut fürs Gehirn.
Mit wie viel Farbe lebt ihr?
Wir wohnen in Eindhoven. Seit gut zehn Jahren ist eine alte Philips-Fabrik unser Zuhause, unser Studio und unser Labor. Wir lassen den Ort langsam entstehen und arbeiten dabei sehr materialehrlich. Wir nutzen gerne Holz, Metall oder farbigen Marmor. Vor der industriellen Kulisse mit ihren Metallkonstruktionen wirken unsere Wohnräume wie eine Collage aus Farben, Materialien, unseren eigenen Designs, Fundstücken und den Dingen unserer Kinder.
Das klingt nach Slow Design und einem Gesamtkunstwerk. Wie steht ihr zu Trends?
Wenn wir privat den richtigen Platz für etwas gefunden haben oder eine passende Farbe, dann ist das meist eine finale Entscheidung. Als Farbspezialisten werden wir oft mit Trendforschung beauftragt, was auch ein spannendes Feld ist. Welche Farbe gerade angesagt ist, hat durchaus sozialpolitische Bedeutung, denn sie spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider. Für unsere Arbeit sind Trends weniger wichtig. Wir betrachten einen Raum oder ein Objekt in seinem Kontext – und die vermeintlich „schönste“ Farbwahl ist nicht immer die interessanteste.
Jeder bringt seine ganz eigene Empfindung für Farben mit. Wie findet ihr zu gemeinsamen Entscheidungen?
Vor allem nicht zu zweit. Wir haben auch noch drei weitere Gestalter*innen im Team. Wir führen manchmal lange Diskussionen. Dabei geht es nicht nur um Farben, sondern auch um Texturen, Formen und Materialien. Die Farbwirkung wird maßgeblich davon beeinflusst, ob ich eine viereckige, scharfkantige Silhouette oder eine organische Form habe, ob die Oberfläche hochglänzend oder ultramatt und lichtschluckend ist. Farbe steht nie allein.
RAL, ein deutsches Institut für Farbstandards, wird 2025 100 Jahre alt – und ihr habt zum Jubiläum eine exklusive Ausgabe von Farbfächern gestaltet. Was war für Euch das Besondere an dieser Aufgabe?
Als wir bei RAL vor Ort waren, konnten wir die Archive besuchen und haben viel darüber gelernt, warum welche Farbe in den Fächer aufgenommen wurde. Viele Töne haben eine lange Geschichte. Enthalten ist das Cremeweiß deutscher Taxis, das Verkehrsblau, das man von Autobahnschildern kennt, das Grün der Notausgangsleuchten oder ein Pink, das in der Kommunikationstechnologie für Kabelmäntel verwendet wird. Das sind alles Farben, die in unserer Umgebung ganz feste Ankerpunkte haben. Fünf dieser ikonischen Farben haben wir für die Seiten der Fächerkartons ausgewählt, die in einer limitierten Sonderedition aufgelegt werden.
Farbe hat also auch viel mit Geschichte und Kultur zu tun?
Unbedingt. Aufgrund ihres Einsatzes werden Farben mit Botschaften aufgeladen. Die Post ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwar immer gelb, aber jedes Land verwendet eine eigene RAL-Nuance. In Deutschland wird Orange oft als kennzeichnende Farbe für öffentliche Elemente im urbanen Raum verwendet – etwa für Mülleimer. In den Niederlanden ist es Nationalfarbe und für Fußball und Feiertage reserviert. Assoziationen und Emotionen können durch Sehgewohnheiten ganz unterschiedlich geprägt sein.
Bilder: Raw Color
RAL-FARBFÄCHER EDITION RAW COLOR
RAL Farben bieten seit 100 Jahren ein weltweit anerkanntes, standardisiertes Farbsystem. Grundidee ist die einheitliche Kommunikation von Farbtönen. Besonders wichtig in Design, Bauwesen und Industrie, wo die exakte Farbwiedergabe bsp. auch gewerkeübergreifend entscheidend ist.
Zum 100-jährigen Bestehen der RAL Farben hat Raw Color eine grafisch überarbeitete Jubiläumsausgabe der RAL Farbfächer K5 und K7 gestaltet.
Farben sehen, verstehen und anwenden: Der RAL Farbfächer K5 ist ein präzises Arbeitsmittel für professionelle Gestaltung, Planung und Abstimmung – und die Grundlage für fundierte, verlässliche Farbentscheidungen.
Dank seines kompakten Formats passt der RAL Farbfächer K7 in Tasche, Werkzeugkiste oder Entwurfsmappe – ideal für den schnellen Farbabgleich unterwegs oder am Arbeitsplatz. So wird das Jubiläumsprodukt zum funktionalen Werkzeug, zur Inspiration im Gestaltungsprozess – und auch zum schönen Objekt auf dem Schreibtisch.
Drucke von Raw Color
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