IST DAS FERTIG?

Roh, unverblümt, radikal – verzinkte Oberflächen besitzen eine besondere Ästhetik und entwickeln in Zusammenspiel mit Material, Form und Umgebung oft eine faszinierende Schönheit. Wir bei MAGAZIN schätzen das Material und verwenden es bei verschiedenen Produkten. Mit dem Blick darauf stehen wir nicht allein da. Auch in Kunst und Architektur finden sich Beispiele.

Text: Thomas Edelmann

KUNST, VERZINKT

Kunst als Gebrauchsgegenstand, der Veränderung nicht nur ermöglicht, sondern geradezu provoziert: Das war die Idee von Charlotte Posenenske (1930–1985). 1967 schuf sie ihre „Serie D“, Vierkantrohre aus galvanisiertem Stahlblech, ähnlich funktionalen Lüftungsbauteilen. Ihr überschaubares, weltweit rezipiertes künstlerisches Werk entstand zwischen 1956 und 1968. Mechanismen des Kunstmarktes wollte sie unterlaufen und aushebeln. Ihre Werke gab sie daher, wie ihr Wegbegleiter, der Galerist Paul Maenz in Erinnerung rief, „unlimitiert, unsigniert und zum Selbstkostenpreis“ ab. Die Schülerin von Willi Baumeister hatte Bühnenbilder entworfen, bevor sie sich der Kunst zuwandte. „Die Sachen, die ich mache“, schrieb sie 1968 in ihrem Manifest, sind „veränderlich, möglichst einfach, reproduzierbar.“ Sie seien „wie Bauelemente, sie können zu immer neuen Kombinationen oder Stellungen verändert werden, sie verändern dadurch den Raum.“ Präsentiert wurden ihre Arbeiten in Galerien, im Hangar des Frankfurter Flughafens sowie im öffentlichen Raum. „Die Gegenstände“, schrieb Posenenske, sollen den „objektiven Charakter von Industrieprodukten haben. Sie sollen nichts anderes vorstellen, als sie sind.“ Als ihr Manifest erschien, hörte sie bereits auf, Kunst zu machen. Ein Soziologiestudium, fokussiert auf Arbeitsprozesse, schien ihr angemessener „zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme.“

Bild: Reproduzierbar und beweglich: „Serie D“ aus galvanisiertem Stahlblech (1967) von Charlotte Posenenske.

ARCHITEKTUR, VERZINKT

Der einstige Arbeiterstadtteil Le Plateau in Montreal ist heute ein begehrtes Wohnviertel. Eine alte Remise, ortstypisch nur 120 Quadratmeter groß, hat sich eine Familie vom Architekturbüro TBA umbauen und erweitern lassen. Flache verzinkte Paneele kennzeichnen den minimalen Eingriff. Hauptaufgabe war, aus dem Bestand „so viel Wohnraum wie möglich“ herauszuholen. Dabei sollte der kleine Seitenhof unbedingt erhalten bleiben. Ein Anbau, der im Obergeschoss
den Hof überbrückt und beim Nachbarhaus andockt, war die Lösung. Die Ergänzung – nur 28 Quadratmeter klein – bildet einen starken Kontrast zum Bestand. Die Paneele reflektieren das Licht, verleihen dem Anbau ein Gefühl von Leichtigkeit. Die Umgebung des Casa 905 in der Kleinstadt Igualada, nahe Barcelona, ist heterogen. Traditionell eine Gartenstadt, stehen nebenan Banalbauten sowie Wohntürme aus den Sixties. Das Paar mit zwei Kindern, das hier lebt, hat ein Faible für zeitgenössische japanische Wohnbauten. Für sie schuf das Büro Harquitectes ein kompaktes Haus mit einer funktionalen Außenhaut aus verzinktem Wellblech, die im Sommer eine passive Ventilation bietet. Die Fenster sind fix, die Paneele im Erdgeschoss beweglich. Sie ermöglichen Privatsphäre wie auch Blickbeziehungen zum Garten. Zur Inspiration dienten das Orinda House (1962) von Charles Moore sowie die Kapelle Santa Maria dos Anjos (1977) von Lina Bo Bardi.

Bild: Zugewinn an Wohnfläche mit glänzender Außenhaut: Die Ergänzung einer entkernten Remise in Montreal.

WAS HEISST EIGENTLICH VERZINKT?

Verzinkte Oberflächen sind besonders strapazierfähig, abriebfest und vor Witterungseinflüssen geschützt. Und – verzinkte Materialien lassen sich gut wiederverwenden und recyceln. Doch was ist das eigentlich Verzinken? Wir stellen Ihnen die beiden Verfahren vor.

FEUERVERZINKEN
Nein, beim Feuerverzinken brennt nichts und eine offene Flamme wird auch nicht gebraucht. Feurig heiß wird es allerdings wirklich, denn der Stahl badet in rund 450 °C heißem Zink. Je nach Verfahren werden entweder einzelne Werkstücke wie Stahlgitter oder -träger, aber auch fertige Produkte wie Gartenmöbel in die Zinkschmelze getaucht. Oder es werden Stahlbänder durch das flüssige Zink gezogen. Dabei bildet sich ein gleichmäßiger Überzug. Feuerverzinken wird häufig eingesetzt, gerade für industrielle und architektonische Anwendungen. Allerdings eignet es sich wegen der großen Hitze lediglich für verzugsunempfindliche Bauteile. Die Oberfläche des Zinküberzugs ist mattsilbrig, teilweise uneben, der oft etwas gröberer Charakter verleiht ihr eine besondere industrielle Ästhetik. Wenn’s also ruppig zugeht, das ganze Jahr alle Wetter einwirken, dann gilt es, Produkte feuerzuverzinken.

GALVANISCHES VERZINKEN
Beim galvanischen Verzinken wird der Stahl per Elektrolyse verzinkt. Wer sich noch an den Chemieunterricht erinnert, weiß: Das hat was mit Strom zu tun. Bei diesem Verfahren kommen reines Zink und die zu galvanisierenden Werkstücke gemeinsam in ein Elektrolytbad. Wenn Gleichstrom angelegt wird, lösen sich Partikel vom unedleren Zink und scheiden sich auf dem edleren Stahl ab. Der Überzug fällt zwar dünner aus als beim Feuerverzinken, dafür ist die Oberfläche besonders ebenmäßig – und ebenso vor Witterung geschützt. Dank des hauchfeinen Materialauftrags eignen sich die Oberflächen gut zur weiteren Bearbeitung, etwa zur Lackierung oder Pulverbeschichtung. Wegen des vergleichsweise dünnen Zinküberzugs empfiehlt sich das Verfahren auch für kleinere Bauteile wie Schrauben und sonstige Beschläge. Galvanisch verzinkte Oberflächen besitzen oft einen leicht changierenden Glanz.

Bilder: Adrià Goula; Patxi Bergé; Adrien Williams; bogdanvija, Adobe Stock; Josef, Adobe Stock

Was heißt eigentlich...?

  • Korrosionsschutz bedeutet meist, eine zusätzliche Beschichtung aufzubringen. Bei Aluminium hingegen reicht ein wenig Sauerstoff. Im Elektrolyseverfahren bildet das Metall aus sich selbst heraus eine ebenso harte wie haltbare Oberfläche aus Aluminiumoxid. Und die kann sogar gefärbt werden

  • Langlebig, vielfältig, emissionsarm, effizient. Pulverbeschichtung mag zwar nicht so glamourös klingen, aber wenn es bunt werden soll, gibt es im Oberflächenschutz kaum ein besseres Verfahren. Dank elektrostatischer Effekte können damit perfekte Oberflächen hergestellt werden. Und wenn es hart auf hart kommt, zeigen sie Charakter.